Bundesregierung will weniger Klimaschutz und mehr Flexibilität für Autoindustrie

Wenn das mal kein schlechtes Timing ist. In der EU wird nun schon zum wiederholten Mal über strengere Abgasnormen für PKW verhandelt, aber die Bundesregierung stellt sich quer – wie war das noch mit der Klimakanzlerin? Gibt’s die noch? Am Montag sollte eigentlich über einen Kompromiss zu neuen Abgasvorschriften abgestimmt werden, aber die Einigung ist vorerst geplatzt, vor allem weil Deutschland zum wiederholten Mal den Quertreiber gegeben hat. Ausgerechnet unser Bundesumweltminister Peter Altmeier hat sich im Kreis seiner EU-Kollegen für eine Aufweichung der geplanten Grenzwerte eingesetzt, damit war das gemeinsame Vorhaben für mehr Klimaschutz wohl zum Scheitern verurteilt. Altmeier macht auch keinen Hehl daraus, dass es der Regierung vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit der traditionell auf große, schwere, schnelle Fahrzeuge spezialisierten deutschen Autoindustrie geht. Er setzt auf eine „begrenzte Flexibilität“ für die Unternehmen, sie sollen die Möglichkeit erhalten, Elektroautos und Hybridfahrzeuge gleich mehrfach gegen den CO2-Ausstoß ihrer restlichen Flotte aufzurechnen.

Aufweichung strengerer Abgasnormen könnte Industrie langfristig schaden

Warum aber brauchen die deutschen Konzerne eigentlich immer wieder Schützenhilfe der Politik, wenn es um die Reduzierung des Schadstoffausstoßes und eine weitere Verbrauchsreduzierung geht? Ist die Innovationsfähigkeit der deutschen Hersteller soweit erlahmt, dass sie sich überhaupt nicht zutrauen, innerhalb der nächsten Jahre mit neuen Technologien strengere Grenzwerte einhalten zu können? Vielleicht wären neue Grenzwerte ja gerade ein geeigneter Anreiz, in diesem Bereich in Forschung und Entwicklung ein bisschen auf die Tube zu drücken und mit neuen Ideen nach vorne zu gehen, um sich als Technologieführer für den Umweltschutz zu positionieren. Die deutschen Hersteller haben schon die erste Runde der neuen umweltfreundlicheren Technologien wie Hybridantriebe völlig verpennt und hinken hier dem Wettbewerb vielfach hinterher, fraglich ob es da die passende Strategie ist, strengere Vorschriften zu verhindern. Jetzt kann man sich erst mal wieder ein bisschen entspannter zurücklehnen und die nächsten sinnlosen SUV’s planen, wenn der Schuss nicht nach hinten losgeht…

Auch viele Experten sehen die erneuten Torpedierungen der deutschen Regierung sehr kritisch. SPON zitiert den in den Medien allgemein als „Automobil-Experten“ bezeichneten Ferdinand Dudenhöffer, der ebenfalls auf den drohenden Rückschlag bei der Innovationsfähigkeit hinweist, mit den Worten: „Der Vorstoß der Bundesregierung wirft technischen Fortschritt bei CO2-Minderung von Neuwagen um Jahre zurück.“ Auf der Seite des VCD (Verkehrsclub Deutschland) ist angesichts der augenscheinlichen Parteinahme zugunsten deutscher Luxuskarossen von einem Skandal die Rede: „Die deutsche Bundeskanzlerin agiert ganz offensichtlich persönlich im Interesse von Daimler, BMW und VDA. Dabei bleiben der Klimaschutz zusammen mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gänzlich auf der Strecke. Es bleibt zu hoffen, dass sich die anderen EU-Länder von Deutschland nicht überzeugen lassen. Die Verbrauchsvorgaben für neue Pkw müssen jetzt beschlossen werden.“

Regierung bläst zum Angriff auf Klimaschutz und erhält gleichzeitig Großspende von BMW-Eignern

Und heute dann der Hammer: Während unsere Regierung in Brüssel Klimaschutz und Umweltschutz als Opfer für die deutsche Industrie darbringt, hat sich die BMW-Eigentümerfamilie Quandt (die gemeinsam fast 50 % den dem Konzern halten) offenbar entschlossen, der CDU 690.000 Euro an Spenden zukommen zu lassen – Mutti, Sohn und Tochter Quandt spendeten je 230.000 Euro. Dass diese Großspende so dicht an einer heiklen Abstimmung über strengere Abgasvorschriften liegt, muss wohl bestenfalls als schlechtes Timing durchgehen, schlimmstenfalls hat es den Anschein von Einflussnahme zugunsten des Konzerns. Verbände wie Lobby-Control kritisieren die unglückliche Verquickung scharf, hier hält man den Zeitpunkt der Spende für „höchst problematisch“: „Diese außergewöhnlich hohen Spenden von einer Unternehmerfamilie, die zeitgleich vom Einsatz der Bundesregierung für die Autoindustrie profitiert, zeigen einmal mehr die Problematik hoher Parteispenden.“ Und auch die Opposition im Bund schäumt, Klaus Ernst von der Linken spricht z. B. vom „krassesten Fall von gekaufter Politik seit langem“ und hält sogar ein parlamentarisches Nachspiel für denkbar.

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