Besorgte Bürger wütend über Ramadan-Post

Da ist sie wieder, die enthemmte Wut der „besorgten Bürger“, die sich im Moment scheinbar jeden Tag dutzendfach Bahn bricht. Eigentlich ein vermeintlich nichtiger Anlass: Das Social-Media-Team der Bundesregierung wünscht den Muslimen in Deutschland auf Facebook einen gesegneten und friedvollen Ramadan. Eigentlich eine nette Geste – das reicht hunderten von Internetnutzern aber schon, um hasserfüllt in die Tasten zu hauen und die Seite der Bundesregierung mit wütenden Kommentaren zu bedenken. Schließlich gehört der Islam nicht zu Deutschland und man solle sich lieber um die Probleme des deutschen Volkes kümmern.

Viele werden im Netz zum Asozialen

Alle mal weniger haten

Alle mal weniger haten

Inzwischen kann man keine Diskussion unter einem Online-Artikel lesen, ohne ständig über beleidigende oder wütende Kommentare zu stolpern. Kommentatoren, die ihre Meinung zum aktuellen Zeitgeschehen in Kolumnen veröffentlichen, werden wahlweise als dumm, verblendet, ahnungslos oder unfähig bezeichnet. Dabei wird hier schon von der Redaktion ausgesiebt, in den persönlichen Nachrichten gehen die Beleidigungen noch deutlich weiter, wie z. B. Margarete Stokowski berichtete, der ein Nutzer bei Facebook schrieb: „Hallo Dummsau. Ich hoffe du ertrinkst in einem deiner Transgender-Klos.“ Journalisten und Politiker berichten davon, dass sie in einer Flut von boshaften Emails und Kommentaren – bis hin zu offenen Morddrohungen – versinken.

An welchem Punkt wurde es eigentlich zur Normalität, andere Menschen im Netz wüst zu beschimpfen und jeden Respekt fahren zu lassen? Hat, wie manche vermuten, insbesondere der Aufstieg der Rechtspopulisten etwas damit zu tun, durch den sich viele „besorgte Bürger“ berufen fühlen, endlich mal zu sagen, was sie denken und was sowieso alle anderen denken? Oder war es schon immer so und der Sumpf wird nur jetzt durch die sozialen Medien so richtig sichtbar? Wenn man Journalisten und Politiker darüber sprechen hört, scheint der Umgangston in den letzten Jahren deutlich schlechter geworden zu sein.

Sind wir in der enthemmten Gesellschaft angekommen?

Der NDR-Reporter Michel Abdollahi spricht in einem Interview bei bento über die Hasswelle, die über dem Ramadan-Post der Bundesregierung zusammenbrach, von der „enthemmten Gesellschaft“, in der wir jetzt angekommen seien – sieht tatsächlich oft so aus. Wäre schön, wenn sich alle, die sich regelmäßig im Internet zu Wort melden, wieder ein wenig zusammenreißen und an ihre gute Kinderstube – soweit vorhanden – erinnern würden. Das Internet allein rechtfertigt nicht, sich komplett asozial zu verhalten, man muss nicht, weil einem eine Meinung nicht gefällt, zur wilden Sau werden. Während im Alltag bei vielen die bürgerliche Fassade noch mühsam aufrechterhalten wird, scheinen bei Facebook, Twitter und Co alle Hemmungen zu fallen.

Die Wut der „besorgten Bürger“ oder schlicht Kleingeister über den Post der Bundesregierung war im Übrigen meist unbegründet, denn der Islam erhielt keine Vorzugsbehandlung, wie auf der Facebook-Seite zu lesen ist: „Zur ‚Beruhigung‘ für unsere besonders besorgten Kommentatoren: Ja, wir haben auch andere Sorgen! Ja, wir haben auch die christlichen und jüdischen Feiertage bedacht und z.B. frohe Weihnachten, frohe Ostern und frohes Chanukka gewünscht.“

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