Vergewaltigung einer Deutschen – nur ein Fall von zig tausenden
Nur ein paar Monate nach dem grausamen Tod einer jungen Inderin, die von mehreren Männern in einem Bus so brutal vergewaltigt wurde, dass sie im Anschluss an ihren schweren Verletzungen starb, erleben wir jetzt den nächsten publik gewordenen Fall einer Vergewaltigung in Indien. In der Zwischenzeit sind wohl schon wieder zig tausend neue Gewalttaten an Frauen in dem Land verübt worden, aber dieses Mal sind die Medien auf den Fall aufmerksam geworden, weil eine Deutsche betroffen ist.
Die Zeichen standen auf Veränderung, davon ist jedoch nicht viel geblieben
Die indische Politik hatte nach der global bekannt gewordenen Gruppenvergwaltigung mit tödlichem Ausgang versprochen, dass man für einen besseren Schutz von Frauen in der indischen Gesellschaft sorgen wolle. Die Täter wurden in Windeseile verhaftet und mehrheitlich zum Tode verurteilt, man hätte erwartet, dass das weitere Täter in der Folgezeit abschreckt. Während man nur verstört auf jeden neuen Fall blickt, bleibt die Frage, warum die Gewalt gegen Frauen in Indien so verbreitet zu sein scheint und warum dagegen offenbar nichts getan wird oder getan werden kann. Verschiedene Autoren haben sich jetzt mit dieser Frage auseinandergesetzt und ihre Analyse der indischen Gesellschaft vorgelegt.
Fabian Reinbold schreibt bei SPON, dass es einen wesentlichen Fortschritt gebe: Seit dem brutalen Übergriff im letzten Jahr sei das Thema Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen in den indischen Medien ein Dauerthema und werde ausgiebig diskutiert. Davor gehörten Vergewaltigungen mehr oder weniger zum Alltag, seien verschwiegen worden, gehörten zum Alltag, die Schuld für die Taten sei den Frauen zugeschoben worden. Frauen seien in der indischen Gesellschaft an die Gefahr des Belästigtwerdens gewöhnt, sie werden im öffentlichen Raum immer wieder bedrängt oder sogar betatscht. Trotz der medialen Empörung und Aufmerksamkeit sei es der Regierung, den Behörden und der Polizei bislang nicht gelungen, das soziale Übel in den Griff zu kriegen, stattdesse scheine der politische Wille inzwischen sogar wieder zu erlahmen. Immerhin werde inzwischen bei Touristinnen relativ schnell gehandelt, für viele Inderinnen habe sich die Lage allerdings nicht wesentlich geändert, gerade auf dem Land oder in den Slums reagiere die Polizei oft noch gleichgültig – wenn Taten überhaupt zur Anzeige gebracht werden.
Krimineller Bodensatz macht Gewalt und fast anarchische Zustände möglich
Auch für Karin Steinberger, Autorin der Süddeutschen Zeitung, ist die Tatsache, dass immer wieder neue Fälle bekannt werden, als ob es den Fall der brutalen Gruppenvergewaltigung im letzten Jahr nicht gegeben hätte, unbegreiflich. Sie will mit ihrem Artikel einen kleinen Einblick in die Realität der indischen Gesellschaft geben und schildert Fürchterliches: „Im April 2013 war es eine Fünfjährige in Madhya Pradesh, die von zwei Männern 48 Stunden lang missbraucht wurde, sie starb am 18. April. Im August wurde eine Siebenjährige tagelang in einer Zugtoilette vergewaltigt, kurz danach machten sich fünf Männer über eine 22 Jahre alte Fotografin in Mumbai her. Im Oktober wurde eine 16-Jährige von einer Gruppe Männer vergewaltigt, sie erstattete Anzeige, wurde aus Rache von derselben Gruppe noch einmal vergewaltigt, ging wieder zur Polizei. Am 23. Dezember zündeten zwei der Täter das Mädchen an.“
Auch Steinberger hatte das Gefühl, dass Indien nach dem Tod der Studentin aufgewacht sei, dass die Menschen das Problem endlich verstanden hätten – ein Eindruck, der sich leider nicht bewahrheitet hat. Sie zitiert eine bekannte indische Frauenrechtlerin, die auf die Frage, warum die Fälle von Vergewaltigungen nicht abnähmen, sagt, dass knapp ein Drittel der Regierungsangestellten in Indien einen kriminellen Hintergrund aus Vergewaltigung, Diebstahl oder Mord hätten. Diesem Personenkreis sei nicht zuzutrauen, dass die das System aufräumen würden. Für sie ist das Töten von Frauen, das Abtreiben weiblicher Föten, das Strangulieren neugeborener Mädchen, das in Indien Jahr für Jahr stattfindet, einem Genozid gleichzusetzen. Die kriminelle Politik Indiens sei der Bodensatz, der die Gewalt an Frauen und die Nachlässigkeit gegenüber Kriminellen hervorbringe.
Immerhin gibt es leichte Zeichen der Verbesserung, neben der medialen Aufmerksamkeit. Gerade in den indischen Städten gibt es viele Menschen, die die aktuellen Zustände nicht mehr länger hinnehmen wollen und dies auch öffentlich zeigen. Opfer gehen eher als früher zur Polizei und zeigen die Täter an, auch wenn sie sich vielerorts dadurch in Gefahr bringen und massiven Drohungen ausgesetzt sind, mitunter sogar gleich nochmal vergewaltigt oder umgebracht werden. Trotzdem sagt die Frauenrechtlerin aus dem Artikel, dass die Gesellschaft weiter einem riesigen Problem gegenüberstehe: „Die Inderinnen kennen die Angst, sie haben ihr Leben so eingerichtet, dass sie nicht mehr alleine unterwegs sind. Sie lassen sich abholen, sagen Termine ab, wechseln ihre Jobs. Wenn sie es sich leisten können, fahren sie mit dem Taxi nach Hause. Dann telefonieren sie mit ihren Müttern, die ganze Fahrt lang, bis sie der Taxifahrer absetzt.“
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