Nachhaltigkeit in der Agrarindustrie Mangelware – glaubwürdige Siegel könnten helfen
Man kann nicht sagen, dass wir in unseren Supermärkten, Klamottenläden und anderen Konsumtempeln zu wenig Siegel und Label hätten, die die Qualität, die Ökigkeit, die Nachhaltigkeit oder die Fairness der so ausgezeichneten Produkte signalisieren sollen. Nein, es gibt schon eine ganze Menge Siegel, viele Verbraucher haben schon längst den Überblick verloren, es ist ihnen auch nicht zu verdenken, schließlich werden von Verbänden und Unternehmen immer wieder neue entwickelt.
Verschiedene Label für mehr Tierschutz am Markt, Tierschutzbund zieht nach
So gibt es z. B. bereits ein Label des Vereins „Vier Pfoten“, das Kriterien für die Haltung von Masthühnern, Rindern und Schweinen festlegt. Mit seinem „Pro Planet“-Siegel hat sich auch REWE einem besseren Tierschutz verschrieben, hier steht das Siegel bei Hähnchenprodukten für eine Senkung der Besatzdichte um 15 Prozent und den Einsatz von Strukturelementen in den Ställen wie Strohballen oder Picksteine. Sicherlich nicht der große Wurf, aber immerhin gibt es erste Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen und artgerechten Tierhaltung.
Trotz bereits bestehender Standards hat sich der Deutsche Tierschutzbund schon vor einigen Monaten wieder mit einem neuen Label auf den Markt gewagt, dem sog. Tierschutzlabel, mit dem eine bessere Haltung von Tieren gekennzeichnet werden soll – bisher ist dieses allerdings in der Breite noch nicht angekommen, ich habe es im Laden auch noch nicht entdecken können, sonst hätten wir wahrscheinlich schon darüber berichtet. Für die Tiere soll nach Angaben der Organisation mit dem Label ein echter Mehrwert an Tierschutz gewährleistet werden – na gut, hiervon brauchen wir tatsächlich noch eine Menge, insofern wäre es schön, wenn sich das Siegel glaubwürdig durchsetzen und zu einer echten Verbesserung der Tierzucht beitragen würde, nicht einfach zu einem Mehr an Verwirrung.
Verbraucher haben Interesse am Thema Tierschutz, aber zahlen sie auch dafür?
Tatsächlich ist das Thema Tierschutz für viele Verbraucher ganz wichtig, in einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums hatten Ende des letzten Jahres 44 Prozent der Befragten angegeben, dass sie beim Einkauf auf entsprechende Standards achten würden – wobei ich mich frage, welche Standards das sein könnten, denn mir fällt abgesehen vom Bio-Siegel (bei dem ich allerdings die genauen Bestimmungen zum Tierschutz auch nicht kenne) auf Anhieb keine glaubwürdige Kennzeichenung von Fleisch ein, bei der ich mich hinsichtlich des Tierschutzes entspannen könnte. 76 Prozent der Befragten sagten jedenfalls, dass sie durchaus Wert auf Tierschutzangaben auf der Packung legen würden.
Das vom Tierschutzbund entwickelte blaue Label gibt es in zwei Stufen, mit einem oder zwei Sternen, der Verein spricht von einer Einstiegs- und einer Premiumstufe, allerdings bedeute schon ein Stern einen deutlichen Fortschritt beim Tierwohl. Der Verein bemängelt vor allem die gesetzlichen Bestimmungen zur Tierhaltung, die nicht weit genug reichten, auch eine transparente Tierschutzkennzeichnung sei bisher von der Politik nicht vorangetrieben worden – daher der Vorstoß vom Tierschutzbund. Zunächst ist das Label im Bereich der Masthühner und Mastschweine gestartet, soll aber langfristig auch auf alle anderen landwirtschaftlich genutzten Tiere ausgeweitet werden. Momentan tragen wohl 44 Hähnchemäster das Label, die alle den Konzern Wiesenhof beliefern, der in der Vergangenheit nicht gerade durch korrektes Verhalten am Tier aufgefallen ist.
Für viele Biobauern geht das neue Label nicht weit genug
Unter anderem berücksichtigen die Kriterien des Labels Punkte wie das Platzangebot für die Tiere, Bestandsobergrenzen, Auslaufmöglichkeiten, Wachstum bei der Mast, Strukturierung der Ställe, Transportdauern und Schlachtung. Insofern sind viele der wichtigen Punkte erfasst, unter denen viele Tiere tagtäglich leiden und die bei Recherchen in Megaställen und bei der sog. „Intensivhaltung“ regelmäßig zu Tage gefördert werden. Für viele Biobauern ist das neue Label allerdings eher ein Etikettenschwindel und greift zu kurz, weil eine artgerechte Haltung ohne Auslauf und Sonnenlicht (beides wird vom Tierschutzlabel nicht erfasst) nicht möglich sei, hier werde der gute Name des Tierschutzbundes für alles andere als eine artgerechte Haltung verwendet.
Der Tierschutzbund betont übrigens, dass das Tierschutzlabel auf keinen Fall eine Werbung für Fleischkonsum sein solle, das wär ja auch noch schöner. Der Verein geht davon aus, dass mit einem steigenden gesellschaftlichen Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Tierschutz der Konsum von Fleisch langfristig zurückgeht, für diejenigen, die aber nicht gänzlich auf Fleischprodukte verzichten wollen, soll das Label wenigstens eine Orientierung an der Ladentheke darstellen, um das Thema Tierschutz für die Kaufentscheidung berücksichtigen zu können.
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