Gewalt und Homophobie nehmen in Russland zu
Dass die russische Regierung und auch weite Teile der Bevölkerung weit entfernt vom allseits bekannten Sprichwort „Leben und leben lassen“ sind, hat sich spätestens mit dem Verbot vermeintlicher „Schwulenpropaganda“ und den zahlreichen Boykottaufrufen der Olympischen Winterspiele in Sotschi gezeigt. Denn das von der Regierung erlassene Gesetz gegen homosexuelle Propaganda sind vor allem eins: staatliche Willkür und Repression. Der Begriff der Propaganda ist seeehr weit und unklar gefasst, sodass die Sicherheitsbehörden ganz einfach Leute von der Straße wegschnappen und verhaften können.
Ganz allgemein sind zumindest positive Äußerungen über Homosexualität in Gegenwart von Minderjährigen unter Strafe gestellt worden. Das Gesetz sieht hierfür Geldstrafen zwischen umgerechnet 100 Euro für Privatpersonen und mehr als 23.000 Euro für Firmen oder Organisationen vor. Werden für die vermeintliche Propaganda Medien genutzt, werden sogar bis zu zwanzigmal höhere Strafen fällig.
Athleten werden verschont, die russischen Homosexuellen werden zusammengeknüppelt
Die Homophobie hat in Russland offenbar inzwischen derart krasse Formen angenommen, dass laut homosexueller Verbände allein die Vermutung, homosexuell zu sein, ausreiche, um von den zahlreichen Homophoben im Land aufs Korn genommen zu werden. Nach Angaben der NGO „Sova Center“ aus Moskau wurden seit Anfang des Jahres 18 Menschen durch rassistische oder schwulenfeindliche Übergriffe getötet. Menschenrechtsgruppen beklagen, dass Opfer, die sich an die Polizei wenden, oft zusätzlich verhöhnt werden.
Viele homosexuelle Athleten haben wegen dieser neuen Stufe der Diskrimierung schon angekündigt, die anstehenden Olympischen Winterspiele in Russland boykottieren zu wollen, denn für diese gelten die russischen Gesetze schließlich auch. Wie bigott: Während die heimischen Schwulen und Lesben durch die zunehmende Diskriminierung jederzeit Opfer von Gewalt werden können, hat Putin (im Übrigen bekannt für seine vor Homoerotik sprühenden Bilder) versprochen, dass den Sportlern während der Spiele nichts geschehen wird – den PR-Schaden will man schließlich auch nicht riskieren, während die Weltöffentlichkeit nach Russland schaut. Wie nett, da kann man sich ruhig nobel geben und wenigstens den Gästen zumindest vorübergehend ein bisschen Freiheit gönnen, wenn dafür was bei rumspringt.
Für die russischen Menschen sieht’s leider ganz anders aus, hier gibt niemand eine Garantie ab, dass ihnen nichts passiert. Im Gegenteil, hier scheinen die Behörden und die Justiz bei Gewalt gegen Homosexuelle eher ein Auge zuzudrücken. Gerade machen Berichte über gewalttätige, rechtsextreme Gruppen die Runde, die Homosexuelle unter einem Vorwand in Wohnungen locken, ihre Opfer erniedrigen, ihnen den Kopf rasieren und das Wort „Homo“ in den Pass schreiben – das Ganze wird dann noch gefilmt und ins Internet gestellt, um die Opfer insbesondere vor Freunden, Bekannten oder dem Arbeitgeber zu outen. Prominentestes Aushängeschild ist dabei offenbar der bekannte Skinhead Maxim Mazinkewitsch.
SPON schreib dazu: „Wenn Marzinkewitsch zuschlägt, lässt er das Bild ausblenden und zeigt stattdessen eine zynische Schrifttafel mit der Aufschrift „Nein zu Gewalt“. Weil die Tonspur weiterläuft, hört man die Schreie seiner Opfer, die er mit der Faust oder einem Gummiknüppel schlägt. Er sagt: ‚Ich will töten, aber ich darf nicht.'“ Ein dumpfer, rechtsextremer Sumpf, auf dem offenbar kein liberales Pflänzchen mehr wachsen wird. Aber wieso kann solch ein Skinhead seine Parolen und Gewalttaten eigentlich öffentlich verbreiten und dabei mehr und mehr Anhänger um sich scharen, wo ist der Rechtsstaat geblieben? Bisher hat sich offenbar niemand genötigt gesehen, dem Treiben ein Ende zu setzen, die Behörden haben erst lange zugeschaut und sich dann angeblich diesen Monat doch mal zu einer Durchsuchung von Marzinkewitschs Wohnung durchgerungen.
Russland weiter auf dem Weg ins dunkle Mittelalter
Man fragt sich, in welche Richtung sich die russische Gesellschaft in dieser Zeit eigentlich bewegt, offenbar nähert man sich immer weiter dem Mittelalter statt der Moderne an. Statt liberalem und aufgeklärtem Gedankengut finden sich hier Finsternis und dumpfe Gewalt. Wir in Deutschland streiten darüber, ob die Homo-Ehe komplett gleichgestellt werden soll, da kann man deutlich sehen, in was für einem liberalen Land wir leben und wie weit wir im Umgang mit Minderheiten inzwischen gekommen sind – an dieser Stelle ist ein bisschen Stolz auf unsere Heimat durchaus mal angebracht. Gewalt und Repression bleiben in Russland unterdessen offenbar nicht ohne Folgen, immer mehr Homosexuelle wollen Russland inzwischen den Rücken kehren und in liberale Länder auswandern. Nach Ansicht mancher Russen hat der Staat sein Ziel erreicht, nämlich auf der einen Seite Angst und auf der anderen Hass zu säen.
Passend zur ätzenden Lage in Russland hat sich der „Postillon“ einen Seitenhieb auf die Geisteshaltung der russischen Behörden erlaubt. Hier kann man lesen: „Russland verbietet Naturphänomen Regenbogen als homosexuelle Propaganda.“ Noch kann man darüber lachen, aber wen würde es jetzt noch wundern, wenn die Meldung nicht bald Wirklichkeit wird!
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