Medien haben nach dem Wulff-Prozess Besserung gelobt

Die Berichterstattung zum Prozess gegen Hoeneß treibt schon wieder nachdenklich machende Blüten, hatten nicht nach dem Prozess gegen Christian Wulff (fast) alle Beteiligten reumütig bekannt gegeben, sie hätten was aus dem Verfahren gelernt? Pressevertreter leisteten öffentlich Abbitte, weil sie zu schnell mit Werturteilen und Vorverurteilungen zur Stelle waren, wo man der Justiz erst mal hätte Raum und Zeit geben sollen, das Verfahren sauber und mit der gebotenen Sorgfalt durchzuziehen. Von Hetzjagd und Meuteverhalten war die Rede, vor allem auch von Vertretern der Medien selbst, die Diskussion war voller Selbstkritik.

Seit Monaten wird wild spekuliert und jedes Detail nachgezeichnet

Ich fand die Offenheit der Journalisten gut, aber wenn ich mir die derzeitige Berichterstattung zum Hoeneß-Prozess anschaue, frage ich mich, wie viel die Medien wirklich gelernt haben. Kurz vor Beginn des Prozesses wurde schon lang und breit über die Vorwürfe, das Verfahren, über den beteiligten Staatsanwalt, den Vorsitzenden Richter berichtet – sogar über den Raum, in dem die Verhandlung stattfindet, und den Stuhl auf dem Hoeneß sitzen wird (O-Ton: „Hier auf diesem Stuhl wird Uli Hoeneß sitzen“, geht’s noch?!).

Stirnrunzeln hat bei mir hervorgerufen, dass sich mit „Günther Jauch“ und „Hart aber Fair“ gleich zwei ARD-Talkshows mit dem Prozess auseinandersetzen, bevor dieser richtig begonnen hat bzw. nach Abschluss des allerersten Verhandlungstags. Hier wird dann z. T. munter spekuliert, wer was in welcher Nacht getan hat, wie der Prozess laufen könnte, wie der Richter urteilen könnte, ob es mildernde Umstände gibt, ob Hoeneß Freigang erhält oder wegen guter Führung vorzeitig entlassen wird. Wieso wartet man nicht einfach die angesetzten vier Verhandlungstage ab und unterhält sich dann über das, was tatsächlich vor Gericht passiert ist und was von der Staatsanwaltschaft herausgefunden wurde. Dadurch wird sich ein wesentlicher Teil der in den Talkshows durchgekauten Spekulationen eh von selbst erledigen, viel wertvolle Sendezeit könnte man sich sparen.

Schneller, fetter, sensationeller – mir wird schon ganz schwindlig

Ich hab auch nicht verstanden, warum es bei SPON (die ich sonst sehr schätze) einen Live-Ticker vom Prozess gibt. Sind die Rezipienten wirklich inzwischen so sensationsgeil, dass sie minütlich auf dem Laufenden gehalten werden müssen, was sich vor Gericht tut? Gute alte Offline-Zeit…

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