Industrieländer feiern den Welthandel, während ihre Subventionen für Armut sorgen
Das ARD-Magazin Plusminus hat in einem super Beitrag die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Baumwollfarmern in Indien beschrieben. Während die Industriestaaten gerade den Abschluss eines internationalen WTO-Abkommens beklatschen, mit dem Handelshemmnisse wie Zölle im Welthandel fallen, Subventionen im Agrarhandel reduziert und die Stellung der Entwicklungsländer verbessert werden sollen, zeigt der Beitrag eindrucksvoll, dass Bauern in Indien und Afrika nichts von dem neuen Handelsabkommen haben und in einem ständigen Existenzkampf stecken.
Indische Bauern leiden unter dem künstlich niedrig gehaltenen Weltmarktpreis
Die Reporter haben sich in Indien umgeschaut, in kleinen Dörfern, in denen viele Menschen vom Anbau der Baumwolle leben – mitunter ist die ganze Dorfgemeinschaft von den Einkünften aus dem Baumwollgeschäft abhängig. Am Beispiel einer Familie zeigt sich, wie hart die Bauern in Indien und Afrika ums Überlegen kämpfen müssen. Das Paar, das hier vorgestellt wird, verdient nach eigenen Angaben durch den Anbau von Baumwolle knapp 4.000 bis 5.000 Rupien im Monat, das sind etwa 50 bis 60 Euro, 1,50 Euro pro Tag für eine vierköpfige Familie, nur gerade so genug, um ihre Existenz zu sichern – ein ständiger Kampf.
Der Mann ist gezwungen, während der Baumwollsaison jede Nacht auf dem Baumwollfeld zu schlafen, weil die Gefahr besteht, dass sich Tiere wie Affen oder Wildschweine über die Pflanzen her machen und die Ernte und damit die Existenz der Familie zerstören. Auf die Gefahr durch die Tiere können die Menschen wenigstens noch irgendwie reagieren, bei schlechtem Wetter können sie nichts tun, sie sind abhängig von der Hoffnung, dass nichts Unvorhergesehenes passiert und sie plötzlich komplett mittellos da stehen.
Eine einfache Rechnung zeigt, wo das Problem liegt: Die Familie erhält 45 Rupien pro Kilo Baumwolle, knapp 50 Cent. Da man für ein handelsübliches T-Shirt etwas weniger als ein Kilo Baumwolle benötigt, verdienen die Bauern etwa 31 Rupien oder 40 Cent an einem Shirt. Die Menschen wissen, dass sie nicht angemessen für ihre schwere Arbeit bezahlt werden, aber der Preis für Baumwolle richtet sich nun mal nach dem Weltmarkt, und dieser wird wesentlich durch die USA beeinflusst. Die Regierung der USA hat ihre Baumwollfarmer, heute gibt es dort und 25.000 von ihnen, seit etwas über einem Jahrzehnt mit rund 35 Milliarden Dollar an Subventionen unterstützt – das hält den Weltmarktpreis für Baumwolle niedrig, die knapp sieben Millionen indischen Baumwollfarmer leiden darunter.
Rund 15.000 indische Bauern begehen pro Jahr Suizid, weil sie keinen Ausweg sehen
Versuche, die staatlichen Subventionen zu kappen, weil sie den Wettbewerb auf dem Baumwollmarkt verzerren, waren bisher erfolglos – es fließen weiter fleißig Steuermittel, weil die amerikanischen Baumwollproduzenten auf dem Weltmarkt sonst kaum wettbewerbsfähig wären, dafür sind die Produktionskosten in Ländern wie Indien viel zu niedrig. Auch bei dem neuen WTO-Abkommen, das jetzt von den Industrieländern bejubelt wird, ist die Problematik mit der Baumwolle ausgeklammert worden.
Sehr berührend ist der ARD-Bericht, als die Reporter eine andere Familie in einem Nachbarort besuchen, in der sich eine Tragödie abgespielt hat, die in Indien offenbar an der Tagesordnung ist. Der Vater der Familie hatte vor einigen Jahren viel Geld in eine deutlich teurere genveränderte Baumwollart investiert und dafür Kredite aufgenommen. Die Samen für diese Art waren zwar rund zehnmal so teuer wie die üblichen Sorten, versprachen aber auch deutlich mehr Ertrag und bargen somit die Hoffnung auf ein besseres Leben und vielleicht auch auf ein Ende des ständigen Existenzkampfs.
Tragischerweise kam es anders, eines Nachts hätten Tiere fast die gesamte Baumwolle weggefressen, die Familie konnte die Kredite nicht mehr bezahlen. Der Vater sah deshalb keinen anderen Ausweg als sich umzubringen, mit einer großen Dosis Pestizide. Nach Angaben des Berichts handelt es sich hierbei offensichtlich nicht um einen Einzelfall, sondern um traurigen Alltag, rund 15.000 Bauern sollen sich jedes Jahr das Leben nehmen, weil die Ernte ausbleibt und sie ihre Kredite nicht mehr bezahlen können.
Solange Industriestaaten nicht einsehen, dass sie durch ihre Subventionen in bestimmten Bereichen tausende oder Millionen Menschen in anderen Ländern in der Armut halten, hat jeder Jubel über Handelserleichterungen einen bitteren Beigeschmack. Hier untergraben ausgerechnet die reichen Länder, die sich mit ihrer Entwicklungshilfe für arme Länder brüsten, ihr eigenes Engagement, die Handels- und Subventionspolitik macht jede Bemühung um Verbesserungen der Lebensbedingungen in armen Ländern zunichte. Zum Glück hat die EU gerade erst vor einigen Wochen angekündigt, Subventionen für Agrarexporte nach Afrika zu kippen, weil man eingesehen hat, dass dies die Entwicklungspolitik für Afrika konterkariert.
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