Nachhaltige Kleidung und Eco Fashion? Nicht beim neuen Platzhirsch Primark

Neues zum Thema nachhaltige Kleidung und Eco Fashion – oder besser dem Gegenteil davon. Das ZDF-Reportagemagazin „ZDFzoom“ hat in einem Beitrag gerade den irischen Textil-Discounter Primark genauer unter die Lupe genommen. Primark ist momentan wahnsinnig erfolgreich, hat bereits zehn Filialen in Deutschland, acht weitere sollen demnächst dazukommen, immer werden riesige Verkaufsflächen in Toplagen gewählt. In ganz Europa haben die Iren bislang schon über 250 Läden aufgemacht. Das Prinzip des Unternehmens fassen die Redakteure so zusammen: „Ein Paradies für Teenager: hip wie H&M und billig wie KiK.“

Die Textilbranche wird nochmal ordentlich durchgeschüttelt

Aber woran liegt das eigentlich, dass sich KiK in den vergangenen Jahren ein deutliches Pfui-Image in weiten Teilen der Bevölkerung erarbeitet hat, von Nachhaltigkeit, sozialen Standards und Umweltschutz keine Spur, Ausbeutung von Menschen und vieles mehr, während sich Primark einer wahren Begeisterungswelle gegenübersteht? Die bisherigen Größen der Branche, wenn es um günstige bis billige Textilien geht, wie H&M, Zara, Mango oder C&A scheinen sich beim Kampf um die Kunden noch ein bisschen wärmer anziehen zu müssen, denn Primark könnte die ganze Branche in den kommenden Jahren nochmal durcheinanderschütteln – das Unternehmen verzeichnet momentan deutlich zweistellige Umsatzzuwächse.

Im Beitrag werden vier Mädels bei einem Einkaufstrip begleitet, bei dem sie in zwei Stunden zusammen zwölf Tüten (!) voll Klamotten aus dem Laden tragen. Keine hat dabei mehr als 100 Euro ausgegeben. Wie ist sowas überhaupt möglich? Der Verdacht liegt nahe, dass hier keine nachhaltige Kleidung im Spiel sein kann, aber das ZDF hat mal die Hintergründe angeschaut. Das Unternehmen selbst macht übrigens nur wenig Werbung, das übernehmen seine Anhänger mit bewundernswertem Einsatz, viele Kunden stellen Videos von ihren Einkaufstrips („Primark-Hauls“) ins Netz und lassen so die weite Welt an der Freude über ihre Schnäppchen teil haben. Jackpot für Primark, so kann man sich Millionen für teure Werbung sparen, der Kunde richtet’s schon!

Kleidung wird bei Primark zum täglichen Konsum- und Wegwerfartikel

Die Reporter haben festgestellt, dass, anders als man es als Konsument von anderen Herstellern kennt, in den Klamotten von Primark keine Angaben zur Herkunft wie „Made in Bangladesh“ stehen – stattdessen findet sich der Hinweis „Primark Dublin“. Transparenz geht anders, aber wer würde da Böses denken? Viele der Spuren, die die Reporter bei der Suche nach der Herkunft der Kleidung gefunden haben, führten offenbar nach Asien, deshalb sind sie dorthin geflogen.

Wenn man sich über Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Kleidung Gedanken macht, wirkt vor allem eine Strategie von Primark problematisch, die das Unternehmen offenbar mit großem Erfolg fährt: Die Klamotten werden zum täglichen Konsumartikel, zu Wegwerfmode. Beim Kauf vergriffen? Bei Preisen von zwei Euro für ein Shirt, elf Euro für eine Hose oder 20 Euro für Schuhe nicht so schlimm, dann wird es eben einfach nicht getragen und später weggeschmissen. In der Zwischenzeit haben sich die Kollektionen von Primark schon wieder ein paar Schritte weitergedreht und man findet günstigen Ersatz.

Ein in Asien tätiger Experte für den Textilbereich kommentiert den Erfolg von Primark im Beitrag so: „Im Augenblick profitieren wir natürlich in der westlichen Welt, in den westlichen Konsumgesellschaften ganz massiv von den Kostenvorteilen, die wir uns durch schlechte Arbeits- und Umweltbedingungen in Ländern wie China, Indien, Pakistan, Bangladesch einkaufen. Die Frage für uns ist aber, dass wir natürlich alle zusammen überlegen müssen: Ist das ein Konsumverhalten, was wir uns auf Dauer leisten wollen? Wir wissen jetzt schon, dass wir es uns auf Dauer nicht leisten können.“

Und das ist, was ein nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Kleidung eigentlich leisten müsste: dauerhafte Tragfähigkeit und nicht kurzfristige Profitabschöpfung und Massenkonsum. Recht hat er jedenfalls, denn dass das System der Wegwerfmode auf Dauer nicht tragfähig ist, muss einem kein Prophet erzählen, das wissen wir im Westen schon eine Weile oder haben es zumindest alle geahnt. Denn dass die Primark-Produkte nicht den wahren Preis der Artikel wiedergeben, muss klar sein, die günstigen Preise werden durch Schindluder gegenüber Arbeitern und Umwelt in den Produktionsländern ermöglicht.

Produktion in Asien – die üblichen Bilder aus Bangladesch

Im Beitrag wird gezeigt, wie Textilfabriken in Ländern wie Bangladesch, in denen die Herstellung von Kleidung zu einem wichtigen (wenn nicht dem wichtigsten) Wirtschaftszweig geworden ist, ihre schmutzigen Spuren und Umweltschäden überall hinterlassen – „Textilmüll an allen Ecken“, so der Beitrag. Die Bedingungen seien oft lebensgefährlich, immer wieder komme es zu Katastrophen, das wissen auch wir nicht erst seit dem Einsturz einer Textilfabrik, in der angeblich neben KiK auch Primark hat produzieren lassen, mit über tausend Toten vor einigen Monaten. Bilder von den schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in Bangladesch und anderen Herstellerländern haben die meisten von uns schon oft gesehen, auch dieser Teil der Geschichte wird im Beitrag zu Recht nochmal beleuchtet.

Zum Teil arbeiten die Menschen bis zu 13 Stunden täglich, sechs Tage die Woche für einen Mindestlohn von 30 Euro im Monat, obwohl es den Unternehmen sicher nicht wehtun würde, hier etwas zuzulegen. Aber diese Diskussion scheint sich wie eine unendliche Geschichte immer im Kreis zu drehen, ohne dass sich etwas bewegt. Die Reportage fragt: „Ist das, was wir hier sehen, der Preis dafür, dass wir in Europa günstig hippe Fummel kaufen können?“ Die Antwort liegt auf der Hand. Eine Gewerkschafterin aus Bangladesch, die selbst schon als Kind in einer Fabrik gearbeitet hat, bringt das Kranke im System auf den Punkt: „Wie könnt ihr für drei Euro ein T-Shirt kaufen? Das müsst ihr euch mal klar machen, darüber muss gesprochen werden!“ Viele Einkäufer redeten viel über Ethik, aber die Bezahlung der Menschen sei unethisch, die Arbeiterinnen unterernährt, den Gang zum Arzt können sie sich oft nicht leisten, die Bedingungen der Unternehmen unterschieden sich kaum – wie ist das mit der Gerechtigkeit und sozialen Verantwortung?

Am Ende könnten auch die Konsumenten den Preis mit ihrer Gesundheit zahlen

Zum Schluss die Frage: Könnten die mangelnde Nachhaltigkeit und die Abstriche bei Sicherheit und Qualität auch – und das wär natürlich ein Skandal, denn dann ginge es plötzlich um uns – Auswirkungen auf die Konsumenten hierzulande haben? Werden Inhaltsstoffe in den Textilien verarbeitet, die evtl. gesundheitsschädlich sind? Die Reporter sind im Internet auf verschiedene Meinungsberichte von Kunden gestoßen, die über Juckreiz oder Kopfschmerzen nach dem Kontakt mit Produkten berichten. Auch eine der wenigen Betriebsräte kommt zu Wort und berichtet von Kollegen, die über den starken Geruch der Klamotten und Accessoires klagen, auch von abgeblichen allergischen Reaktionen ist die Rede.

Vom Bremer Umweltinstitut lassen die Reporter eine Schadstoffanalyse mehrerer Primark-Produkte durchführen. Die Ergebnisse der Analyse haben gezeigt: Sowohl in einigen der Produkte als auch in der Raumluft, der in der Realität sowohl Kunden, aber vor allem Mitarbeiter ausgesetzt sind, sind Stoffe enthalten, die im Verdacht stehen, Krebs und Allergien auszulösen oder die Zeugungsfähigkeit oder Entwicklung von Föten zu beeinflussen, so das Institut. Aber immerhin: Die gemessenen Stoffe lagen unterhalb der gesetzlich zulässigen Grenzwerte. Die Frage ist natürlich, was ein Cocktail der Ausdünstungen von zig tausend Kleidungsstücken in Lagern oder den Filialen von Primark hervorrufen können, das weiß niemand genau, über den Cocktail-Effekt von Chemikalien, die in Kombination auftreten, haben wir in anderem Zusammenhang schon vorher berichtet.

Eines kann man sagen: Wenn man auf Bereiche der Nachhaltigkeit wie die Arbeits- und Produktionsbedingungen der Textilien schaut, unterscheidet sich Primark sicherlich nicht wesentlich von anderen Unternehmen wie H&M, Zara oder KiK, die alle mehr oder weniger Dreck am Stecken haben. Aber Primark scheint das Prinzip der billigen Textilien und Wegwerfmode jetzt noch auf die Spitze zu treiben, und das mit wirtschaftlichem Erfolg. Aber für den Erfolg bleiben eben viele andere Dinge und Menschen auf der Strecke. Die Reporter fassen die Erfolgsformel von Primark mit diesen Stichpunkten zusammen:

– Produktion in Billiglohnländern
– Hohe Stückzahlen
– Abstriche bei der Qualität
– Schneller Umschlag
– Kaum Werbung

Von nachhaltiger Kleidung oder Eco Fashion also in den Primark-Filialen weit und breit nichts zu sehen, aber vielleicht führt ein gestiegenes Verbraucherbewusstsein und eine steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten auch in der Textilbranche in den kommenden Jahren zu einem Umdenken. Auf zum nächsten Primark-Haul, und nicht vergessen, danach das Video für die Fans auf Youtube zu drehen.

Mehr zu spannenden nachhaltigen Themen hier im Blog oder direkt bei Coromandel, eurem Label für einzigartige, nachhaltige Kleidung und Eco Fashion!