Nachhaltigkeit nicht nur ein brisantes Thema bei Textilien

Wer unseren Blog für einige Zeit verfolgt hat, weiß, dass in Sachen Kleidung vieles im Argen liegt und von Nachhaltigkeit in der Textilbranche weit und breit nicht viel zu sehen ist – jedenfalls bei den großen Ketten wie Kik, Primark oder H&M, die in jeder Innenstadt zu finden sind. Wie Amnesty International in der aktuellen Ausgabe seines Journals unter dem Titel „Kinderschokolade“ berichtet, sind die Zustände in der Schokoladen- bzw. Kakaobranche nicht viel besser. Zum Glück ist Weihnachten erst mal vorbei, da muss uns nicht mehr das genüsslich in den Mund geschobene Trüffelchen aus dem Mund fallen.

Günstige Schokoladenpreise lassen an gerechten und nachhaltigen Bedingungen zweifeln

Interessanterweise sieht die Menschenrechtsorganisation bei der Schokolade einen Mechanismus wirken, wie wir ihn im Bereich der nicht nachhaltigen Kleidung und Textilien schon lange vermuten – kollektive Verdrängung. Schließlich würden die Deutschen im Durchschnitt elf Kilo Schokolade jährlich verdrücken, bei Preisen von i. d. R. weniger als einem Euro pro 100 Gramm. Amnesty International unterstellt den Käufern, dass sie bei diesen Preisen üblicherweise wissen müssten, dass die Kakaobauern für ihre Arbeit nicht fair bezahlt werden könnten und keine nachhaltige Produktion der Produkte möglich sei.

Ich bin mir gar nicht sicher, ob das so ist, denn die Schokoladenbranche fliegt beim Thema Nachhaltigkeit und Fairness bisher weitestgehend unter dem Radar der Medien, daher wissen viele Menschen wahrscheinlich wirklich nicht, was auf Seiten der Produzenten los ist. Allerdings wissen wir aus der Textilbranche, dass es bei den meisten Menschen auch nicht zu einer Verhaltensänderung und spontanem Konsumsturz führt, wenn sie um die unnachhaltigen und untragbaren Zustände in der Branche wissen – schließlich müsste inzwischen jeder Deutsche zwischen 18 und 108 ganz gut über die Produktionsbedingungen bei Kleidung in Ländern wie Bangladesch oder Vietnam informiert sein. Berichte in Bild, Schrift und Ton gab es hierzu ja genug in letzter Zeit, trotzdem rennen alle zu den Textildiscountern, kollektive Verdrängung also.

Großteil der weltweiten Kakaoproduktion stammt aus Westafrika

Amnesty International weist darauf hin, dass es bei der Kakaoherstellung nicht unüblich ist, das Kinder zwischen 10 und 14 Jahren aus Ländern wie Mali, Togo oder Burkina Faso entführt würden, um auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste (also gar nicht so weit weg von Europa), dem größten Kakaoexporteur der Welt, unter sklavenähnlichen Bedingungen zu schuften. Knapp 70 Prozent der globalen Kakaoproduktion stammt aus Westafrika, hier werden also Heerscharen billiger Arbeitskräfte  – oft Kinder – benötigt, um den Bedarf nach Trüffeln, Keksen, Weihnachtsmännern und Osterhasen der Konsumenten zu decken. Es wird vermutet, dass etwa 600.000 Minderjährige allein auf den Plantagen der Elfenbeinküste schuften müssen.

In der Dokumentation „Schmutzige Schokolade“ von dem Filmemacher Miki Mistrati, der kostenlos über die ARD-Mediathek abgerufen werden kann, werden die elenden Hintergründe der Kakaoproduktion dargestellt. In einem späteren Interview hat Mistrati zu Protokoll gegeben, dass es bei seinen Recherchen in Westafrika kein Problem gewesen sei, Kinderarbeiter zu finden – im Gegenteil war es „erschreckend einfach“. Auf all den 17 Plantagen, die er sich bei seiner Arbeit an dem Film angesehen hat, waren Kinderarbeiter im Einsatz.

Kinder schuften unter erbärmlichen Bedingungen und erleiden oft gesundheitliche Schäden

Amnesty International gibt die Bedingungen der Kinder so wieder: „Die Kinder müssen schwere Kanister mit hochgiftigen Pestiziden schleppen und damit die Felder gießen. Weil den Kindern oft kein Atemschutz gegeben wird, leiden sie unter Ekzemen im Gesicht, Ausschlägen am ganzen Körper, tränenden Augen.“ Für ihre Arbeit, bei der sie oft auch mit Macheten hantieren und bis zu 30 Kilo schwere Säcke mit Kakao schleppen müssen, müssen die Kinderarbeiter nicht nur gesundheitliche Schäden in Kauf nehmen, sondern werden offenbar meist auch nicht mal bezahlt. Stattdessen erhielten sie gerade so viel Essen als Lohn für ihre Schufterei, dass sie nicht verhungern. In den Genuss von Schokolade kommen sie ohnehin nicht, hierfür fehlt ihnen einfach das Geld, viele der Kinder wissen offenbar nicht einmal, wofür der Kakao überhaupt verwendet wird, den sie mit ihrem Einsatz produzieren.

Auch am Beispiel der Schokolade zeigt sich, dass Papier außerordentlich geduldig ist und mehr Nachhaltigkeit und Fairness nicht durch bloße Absichtserklärungen erreicht werden kann, wenn niemand für die Durchsetzung sorgt. Schon im Jahr 2001, also vor über einem Jahrzehnt, hat die Elfenbeinküste ein Protokoll unterzeichnet, durch dass Kinderarbeit in der Kakaoproduktion abgeschafft werden sollte. Weder dieses Protokoll noch Beteuerungen der Schokoladen- und Süßwarenhersteller haben an den Zuständen in den Produktionsländern etwas geändert, die Bilder aus „Schmutzige Schokolade“ sprechen Bände.

Wie immer müssen Unternehmen, Politik und Konsumenten handeln, um Zustände zu verbessern

Für Amnesty International stehen sowohl die Unternehmen als auch die Konsumenten und die Politik in der Verantwortung, endlich einen Schritt im Kampf gegen die Kinderarbeit voranzukommen. Nach Ansicht von Miki Mistrati müssten in erster Linie die Unternehmen für die Kinderarbeit verantwortlich gemacht werden. Was auf den ersten Blick verwundert: Ähnlich wie in der Kleidungs- und Textilbranche wäre ein Boykott der Kakaoprodukte am Ende wahrscheinlich eher kontraproduktiv, weil die die Erträge der Produzenten zusätzlich schmälern und die Armut in den Ländern Westafrikas eher noch verschärfen. Stattdessen müsste es darum gehen, dass die Produzenten von ihren Abnehmern gerecht entlohnt werden und so viel erhalten, dass sie sich den Einsatz erwachsener Arbeiter leisten können.

Für den Konsumenten, der einen Beitrag gegen die Kinderarbeit leisten will, geht es vor allem darum, sich zu informieren und entsprechend bewusste Kaufentscheidungen zu fällen. Der Blick auf das Herstellungsland, das auf vielen Schokoladeprodukten zu finden ist, hilft schon mal wenig – denn nur weil die Schokolade in der Schweiz hergestellt wurde und jetzt teuer verkauft wird, sagt das nichts über die Herkunft des Kakaos aus, dieser kann trotzdem mit Kinderarbeit produziert worden sein. Für Amnesty International gilt: „Wenn kein Herkunftsland auf der Verpackung steht, kommt der Kakao mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Westafrika. Damit ist das Risiko, dass die Schokolade mithilfe illegaler Kinderarbeit produziert wurde, sehr hoch.“

Nachhaltige Siegel können Stütze für Verbraucher sein, aber Vorsicht!

Eine Stütze können für Konsumenten die bereits bestehenden Gütesiegel wie „Rainforest Alliance“, „UTZ“ oder „Fairtrade“ sein. Perfekt sind diese zwar auch nicht, hiermit kann man aber hoffentlich die größten Sauereien verhindern. Als vertrauenswürdig gilt auch die GEPA, die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH, mit Sitz in Wuppertal, die der größte europäische Importeur fair gehandelter Lebensmittel und Handwerksprodukte aus den südlichen Ländern der Welt ist. Die GEPA setzt sich z. B. für einen nachhaltigen Landbau, Mindestpreise für Bauern, bessere Gesundheitsbedingungen und sicherere Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern ein.

Wie bei nachhaltiger Kleidung gibt es auch bei Schokolade wenig vertrauenswürdige Siegel, hier muss man also schon mal genauer hinschauen. So verwendet beispielsweise Nestlé ein Siegel mit der Bezeichnung „The Cocoa Plan“, mit dem Werbung für eine Initiative des Konzerns zur Unterstützung von Kleinbauern gemacht wird. Hier zertifiziert sich Nestlé also selbst, was wenig glaubwürdig ist. Wenn man nichts zu verbergen hat, soll man sich direkt den vorhandenen Siegeln anschließen und diese ggf. verbessern, um den Konsumenten nicht durch einen Wust von firmeneigenen Siegeln zu verwirren – sonst blickt irgendwann niemand mehr durch. H&M hatte auch mal eine Idee für ein neues Siegel für nachhaltige Kleidung – absoluter Schwachsinn, der nachhaltigen Sache wird so jedenfalls nicht geholfen, weil der Verbraucher irgendwann überhaupt nicht mehr durchsteigt.

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