Fleischproduktion in Deutschland boomt weiter

Nachhaltigkeit in Zahlen, hier kommt wohl die Zahl des Tages: Allein in Deutschland werden jedes Jahr 630.000.000 (630 Millionen!) Hühner geschlachtet, unvorstellbare Größenordnungen. Nur zum Vergleich, der zugegebener Maßen etwas hinkt, aber die Zahlen noch unwirklicher erscheinen lässt: In der gesamten EU leben zur Zeit knapp über 500 Millionen Menschen, so viele Hühner haben wir allein in Deutschland in weniger als einem Jahr getötet.

Wie soll Nachhaltigkeit bei diesen Größenordnungen überhaupt gelingen

Dazu kommen hierzulande nochmal 58 Millionen Schweine (auch nicht schlecht) und 3,2 Millionen Rinder, so hat es der BUND in seinem „Fleischatlas 2014“ festgehalten. Dabei gibt es durchaus hoffnungsvolle Signale: Der Fleischkonsum ist in Deutschland im Jahr 2013 um rund zwei Kilo pro Einwohner zurückgegangen, die Richtung stimmt also, vielleicht zeigt sich hier eine Entwicklung zu bewussterem Konsum, gefühlt werden ja immer mehr Menschen in der eigenen Umgebung Vegetarier oder Veganer. Trotzdem hat sich Deutschland laut Fleischatlas den traurigen Titel des Europameisters in Sachen Schweineschlachten erarbeitet, obwohl Deutschland im globalen Vergleich fast noch ein Waisenknabe ist.

Allein das Unternehmen „Tyson Foods“ soll über 42 Millionen Tiere in einer einzigen Woche schlachten, in China landen jedes Jahr mehr als 660 Millionen Schweine auf der Schlachtbank – über die Haltungsbedingungen in Entwicklungsländern wie China wissen wir nur wenig, wahrscheinlich haben es die Tiere bei uns trotz aller Probleme im Vergleich noch gut. Der gute Trend beim Fleischkonsum in Deutschland wird jedenfalls durch die stetig wachsende Nachfrage in vielen Teilen der Welt konterkariert, vor allem in vielen Entwicklungsländern, in denen der Wohlstand langsam zunimmt, wächst ebenso der Appetit auf Fleisch. Laut Fleischatlas ist der größte Boom bei der Fleischproduktion in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens zu beobachten.

Weiter geht’s – bis 2050 müssen 500 Millionen Tonnen Fleisch produziert werden

Bekannt ist, dass der hohe Fleischkonsum in den wohlhabenden Ländern zu allerlei Problemen – bei Umwelt, Tier und auch beim Menschen – führt und nicht auf Dauer zu halten, eben nicht nachhaltig, ist. Laut Fleischatlas konsumiert vor allem die globale Mittelschicht zu viel Fleisch, nicht nur in den westlichen Ländern Nordamerikas und Europas, sondern durch wirtschaftliche Fortschritte auch vermehrt in Indien, China und anderen Boomländern. Setzt sich der derzeitige Trend beim Fleischkonsum fort, wird die weltweite Fleischproduktion bis Mitte dieses Jahrhunderts von derzeit 300 Millionen Tonnen auf fast eine halbe Milliarde Tonnen steigen – dass eine derartige Menge kaum nachhaltig zu produzieren ist, dürfte schnell einleuchten.

Zum einen ist allein die schiere Zahl der Tiere, die hierfür gehalten, gefüttert, behandelt und geschlachtet werden muss, völlig absurd, wie soll das ohne eine komplett industrielle, automatisierte, durchorganisierte und mit ausreichend Medikamenten unterstütze Tierhaltung möglich sein? Bio-Bauernhöfe bald also nur noch im Bilderbuch für die Kinder? Die Umweltschutzorganisation BUND spricht von zwangsläufigen Entwicklungen, die wir sehen werden: „Schlachtanlagen werden immer über­dimen­sionierter, die Fleischerzeugung weltweit immer industrialisierter – mit all den uner­wünschten Nebeneffekten wie Lebensmittelskandalen, Antibiotikamissbrauch oder Hormonrückständen im Fleisch.“

In den USA ist beispielhaft zu beobachten, wie der Trend zu immer größeren, industriellen Schlachthöfen aussieht. Zwischen den Jahren 1967 und 2010 ist die Zahl der Schlachthöfe dort von rund 10.000 auf weniger als 3.000 gesunken. Der Marktanteil der vier größten Schlachtfirmen hat etwa im gleichen Zeitraum bei Rindern und Schweinen von zwischen ca. 20 % (Rinder) und 35 % (Schweine) auf etwa 70 % und 60 % zugelegt.

Umwelt nimmt großen Schaden, auch der Mensch bekommt seinen Teil ab

Auf der anderen Seite stehen die immensen Umweltbelastungen durch die riesigen Mengen an Futtermitteln, die für die industrielle Fleischproduktion benötigt werden. Umweltschützer schlagen schon seit Jahren Alarm: Weltweit werden über 40 Prozent der geernteten Mengen an Weizen, Hafer, Roggen und Mais für die Viehzucht benötigt – das sind rund 800 Millionen Tonnen. Laut BUND sind die Folgen der Futtermittelproduktion für die Umwelt fatal: „Wertvolle Regenwälder gehen verloren, Böden werden durch Pestizide verseucht und die Preise für Nahrungsmittel steigen aufgrund knapper werdender Agrarflächen. Außerdem führt die großräumige Anwendung des Herbizids Glyphosat beim Sojaanbau in Südamerika vermehrt zu Fehlbildungen bei Neugeborenen.“

Dass in der industriellen Landwirtschaft zu viele Medikamente – vor allem Antibiotika – eingesetzt werden, ist allgemein bekannt und führt regelmäßig zu Protesten von Umwelt- und Verbraucherschützern. Gerade jetzt hat der BUND zudem auf den zu sorglosen Einsatz von Hormonen bei der Viehzucht hingewiesen, der mit gesundheitlichen Gefahren für die Menschen verbunden ist – vor allem in Regionen mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Über die Gülle gelangen Antibiotika, Hormone, und was auch immer noch in den Cocktails enthalten ist, in die Umwelt: „Tiere scheiden 85 ̈ Prozent der Wirkstoffe wieder aus. Sie gelangen mit der Gülle in die Umwelt, vor allem in die Gewässer. Mediziner führen das Wachstum einiger Krebsarten, zunehmende Unfruchtbarkeitsprobleme bei Männern sowie eine immer früher einsetzende Pubertät auf die allgemein steigende Belastung der Natur mit hormonwirksamen Substanzen zurück.“ Die Politik ist hier bisher zu untätig geblieben und lässt nur wenig von sich hören, gespritzt wird eifrig weiter.

Fleischproduktion findet heute nur noch im Dunkeln statt

Die Verbraucher wissen um die Probleme des hohen Fleischkonsums, trotzdem fällt es vielen schwer, auf Fleisch bei der Ernährung zu verzichten. Es herrscht eine kollektive Verdrängung, weil wir nicht mehr mit dem Prozess der Haltung, Tötung und Schlachtung in Berührung kommen, stattdessen sehen wir Fleisch üblicherweise nur in der angenehm sterilen Form im Supermarkt. Für die Autoren des Fleischatlasses kommt hier ein sozialer Prozess zum Ausdruck, der seit Längerem zu beobachten ist: Die immer größeren Schlachthöfe wurden zunehmend aus den urbanen Zentren in die Peripherie der Städte verlegt, die Grausamkeit des Schlachtens ist so für die meisten Menschen aus dem Blickfeld gerückt: „Schlachtung und die Schlachter wurden und sind für die meisten Menschen unsichtbar. Die Verbindung zwischen dem einst lebenden Tier, das in Viehwaggons in die Stadt gebracht wurde, dem früher sicht-, hör- und riechbaren Tod im Schlachthof und dem Fleischprodukt am Ende dieser Produktion wurde gekappt.“ Vielleicht sollte man in den Schulen statt Ausflügen ins Museum lieber mal einen Weg zum Schlachthof auf sich nehmen, um schon bei Kindern wieder ein größeres Verständnis für die Herkunft des Fleisches zu wecken.

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